Geschichte

"Ratlosigkeit" zum Thema Tiefbau

Die Idee zur Gründung einer Institution, die sich umfassend den Problemen des Tiefbaues mit allen Facetten widmet, entwickelte sich während der Beratungen zur Schaffung der AGB Spezialtiefbau im Rahmen der von der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau des HDB Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie e.V. im Jahre 1988 eingesetzten Kommission unter Vorsitz von Dr.-Ing. Peter Arz und den Mitgliedern Dipl.-Ing. Klaus Bubel, Dipl.-Ing. Klaus Gerstmayr, Dr.-Ing. Manfred Stocker, Dipl.-Ing. Horst Voltmer, Dr.-Ing. Lutz Wittmann und Rechtsanwalt Dr. jur. Klaus Englert.

Warum, so fragen sich die Mitglieder der Kommission, kann über die vielfältigen rechtlichen und damit untrennbar zusammenhängenden technischen sowie baubetriebswirtschaftlichen Probleme des Tiefbaus, so etwa über das Baugrund- oder Systemrisiko, weder eine juristische Fakultät noch eine der baurechtlich führenden Institutionen einen kompetenten - das heißt, auch die technischen und baubetriebswirtschaftlichen Besonderheiten der Spezialmaterie "Baugrund" berücksichtigenden - Rat erteilen? Dies war Ende der 80-er, Anfang der 90-er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Die Antwort auf diese vielfach gestellte Frage lautete: Weil der "Baustoff Baugrund" mit all seinen Überraschungen und Schwierigkeiten, insbesondere aber seiner - im doppelten Sinne - "Uneinsichtigkeit" eines umfassenden interdisziplinären Verständnisses bedarf! Und genau dieses war damals aus der Tradition des "Nebeneinander" statt "Miteinander" der verschiedenen Fakultäten und Wissenschaften eben nicht vorhanden.

Ruf nach Abhilfe

Der Ruf nach Abhilfe wurde laut, und die Blicke richteten sich auf den seit über 13 Jahren bereits auf das Tiefbaurecht spezialisierten Baujuristen im Kreise der Kommission: Eine Aufgabe war gestellt und musste bewältigt werden. Der Gründungsmotor und spätere Gründungspräsident Prof. Dr. jur. Klaus Englert nahm sich der Herausforderung an und entwickelte ein "Arbeitspapier", dann kam es zu Gesprächen mit verschiedenen baurechtlichen Vereinigungen - und schließlich kristallisierte sich heraus, dass nur eine neu zu schaffende "Stelle" der Zusammenführung von technischen Vorgaben (etwa dem "Stichprobencharakter" von Baugrundaufschlüssen), betriebswirtschaftlichen Feinheiten (etwa bei der Nachtragsberechnung in Folge von Bodenklassenänderungen) und baurechtlichen Besonderheiten (so etwa hinsichtlich der Behandlung des Baugrundrisikos) die Aufgabe bewältigen konnte, dass - auch - im (Spezial-)Tiefbau das Recht der Gerechtigkeit dient. Dass dazu ein Gesamtverständnis der technischen Gegebenheiten, insbesondere der  Überraschungen, die jede Art von Baugrund bereithalten kann, erforderlich, aber bei nur wenigen Spezialisten vorhanden war, wurde immer mehr bewusst.

Der interdisziplinäre Gedanke reift

Bald konkretisierte sich die Notwendigkeit heraus, ein Institut zu schaffen, das der Forschung, Weiterentwicklung und Bekanntmachung dieser speziellen Baurechtsmaterie dienen kann. Dass diese große Zielsetzung nicht alleine durch Baujuristen, sondern nur mit Hilfe auch von ausgewiesenen Experten des Tiefbaus und Spezialisten der Baubetriebswirtschaft weiter verfolgt werden konnte, bedurfte mit Blick auf die Besonderheiten des Baugrunds keiner langen Überlegungen.

So wurde mit Unterstützung des Spezialtiefbaupioniers Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Karlheinz Bauer und des Vorstandsmitglieds der Bundesfachabteilung Spezialtiefbau, Dipl.-Ing. Heinz Kaltenecker, ein verfeinertes "Arbeitspapier zur Schaffung eines Zentrums für Baugrund- und Tiefbaurecht" ausgearbeitet und nach und nach in die Tat umgesetzt.

Herausragende Persönlichkeiten aus den Bereichen Tiefbautechnik, Tiefbaurecht, Tiefbaubetriebswirtschaft, Tiefbausicherheit und Tiefbauversicherung wurden für den wissenschaftlichen Beirat des im Jahre 2001 gegründeten "CBTR Centrum für Deutsches und Internationales Baugrund- und Tiefbaurecht e.V." gewonnen. Mehr noch: Mit Prof. Dr. iur. Axel Wirth, dem Dekan des Fachbereichs Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der TU Darmstadt und einzigen Lehrstuhlinhaber für deutsches und internationales öffentliches und privates Baurecht, konnte als Nachfolger des Gründungspräsidenten Prof. Dr. jur. Klaus Englert einer der führenden deutschen Rechtswissenschaftler nach der Gründung des Centrums als Präsident für das Tiefbaurecht begeistert werden.

Premierenstimmung beim Auftakt

Die Auftaktveranstaltung am 2. Mai 2002 zeigte mit hochkarätigen Referaten von Prof. Dr. Rolf Kniffka (Vorsitzender Richter des VII.Senats – Bausenat – beim BGH), Prof. Dr. Klaus Vygen (OLG Düsseldorf), Prof. Dr. Rolf Katzenbach (TU Darmstadt) und Prof. Dipl.-Kfm. Thomas Bauer (Vizepräsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie) vor großem Publikum die Richtigkeit der Entscheidung, das CBTR zu gründen. Zumal damit die Chance geschaffen wurde, dass das Baugrund- und Tiefbaurecht seinem Stellenwert entsprechend in das Bewusstsein von Auftraggebern und Auftragnehmern transferiert und insbesondere auch weit über 3000 Urteile, die in über 35 Jahren zum Thema gesammelt wurden, der Baupraxis ebenso wie den Baujuristen, insb. Richtern, zugänglich gemacht werden können.

Tagungen, Veröffentlichungen, Vorträge und Normenarbeit

Seit 2002 ist das CBTR mit einer Reihe von Mitgliedern, insb. des wissenschaftlichen Beirats, in zahlreichen Normenausschüssen zur Thematik „Baugrund“ vertreten. Durch die Abhaltung regelmäßiger Tagungen, viele Veröffentlichungen durch Mitglieder, zahlreiche Vorträge und die Mitwirkung u.a. bei der Ausarbeitung des „Kampfmittelmerkblatts“ in Zusammenarbeit mit Vertretern des HDB Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V. sowie der BGBau, hat das CBTR sehr viel zum Verständnis und zur Weiterentwicklung des Baugrund- und Tiefbaurechts beigetragen. Dazu zählt auch das vom CBTR mit herausgegebene „Handbuch des Baugrund- und Tiefbaurechts“, das bereits in 5. Auflage (2016) vom Werner Verlag vorgelegt und federführend von Prof. Dr. Klaus Englert betreut wurde und die umfassendste Darstellung dieser schwierigen Rechtsmaterie enthält. Es wird insoweit in der Fachwelt als das „Standardwerk“ bezeichnet.

Ein weiteres Fachbuch zu Tiefbautechnik in Verbindung mit Tiefbaurecht brachte das CBTR 2012 beim Verlag Ernst & Sohn heraus: Das „Baurechts-Taschenbuch“, das in seinem ersten Band die „Sonderbauverfahren Tiefbau“ – angefangen von Schlitz- und Pfahlwänden über Mixed-in-Place-Verfahren, HDD, Rohrvortrieb, Deponie- und Tunnelbau bis hin zu Kampfmittelfragen – behandelt. Im Jahre 2016 erschien das Werk "Die Störerhaftung der Bundesrepublik Deutschland im Zusammenhang mit Kampfmitteln" als Band 5 der Berliner Schriften zum Deutschen und Internationalen Baurecht, herausgegeben von Prof. Dr. Rainer Schröder +, Humboldt-Universität zu Berlin, verfasst von dem CBTR Beiratsmitglied Dr. Florian Englert. Im selben Jahr erschien das den Tiefbau ebenso betreffende Fachbuch aus der Feder von Dr. Stephanie Englert-Dougherty, LL.M. mit dem Titel "Baulärm und Sozialadäquanz" als Band 15 der Schriften zum Deutschen und Internationalen Bau-, Umwelt- und Energierecht, herausgegeben vom Präsidenten des CBTR Prof. Dr. Axel Wirth, TU Darmstadt.

Viele richtungweisende Urteile des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte beruhen auch auf dem großen Verständnis der Senatsmitglieder des VII.Senats für die Tatsache, dass der Baugrund mit allen seinen Inhaltsstoffen ein Produkt der Erdgeschichte und als solches vom Auftraggeber als „Bauherrn“ bzw. Eigentümer oder Verfügungsberechtigten des Baugrundstücks. 

Von ganz besonderer Bedeutung wurde dabei das Urteil des BGH vom 28. Januar 2016 (AZ: I ZR 60/14 NZ Bau 2016, 283). Mit dieser Entscheidung wurde die Stoffeigenschaft des Baugrunds höchstrichterlich bestätigt und auch die Verantwortung des Bauherrn bzw. Auftraggebers für den bereitgestellten Baugrund durch Bezugnahme auf die §§ 645 BGB sowie 7 VOB/A festgeschrieben.